Die Selbstmord-Schwestern



Die Selbstmord-Schwestern von Jeffrey Eugenides

Zusammenfassung:

Im Vorstadthaus der Familie Lisbon leben fünf schöne Töchter: die gescheite Therese, die pingelige Mary, die asketische Bonnie, die scharfe Lux und die blasse, lammfromme Cecilia. Als sich die jüngste von ihnen aus dem Fenster stürzt, beginnt das „Jahr der Selbstmorde“, das alle Beteiligten und Beobachter für immer verändern wird. Schaurig-ironisch und zärtlich zugleich zeichnet der Pulitzer-Preisträger das Porträt einer Jugend, die ihre Unschuld verloren hat.

Rezension:

Um mich mal eben ganz kurz zu fassen: Die Selbstmord-Schwestern ist ein grossartiges Buch. Es hat genau das gemacht, was es machen sollte, die Geschichte wird auf so tolle Art erzählt, mit einer unglaublich fesselnden Atmosphäre, einer Erzählerperspektive, welche die Geschichte einfach in ein überwältigendes Licht taucht.
Es hat keine 50 Seiten gebraucht, bis ich das Buch geliebt habe (eigentlich hat mich das erste Kapitel schon restlos überzeugt) und danach wurde es einfach immer besser. Ich kann es wirklich, wirklich, wirklich nur empfehlen. Ja, die Handlung ist, im groben und ganzen, "schlicht" und ja, man fühlt sich wirklich ein wenig, als würde man die Einleitung in eine längere Geschichte lesen, und ja, auf sehr direkte Art betrachtet stimmt der Titel nicht so ganz (Nur, um diejenigen Kritikpunkte aufzulisten, die ich bezüglich dieses Buches gerade noch im Kopf habe - ich bin immer neugierig, was Schlechtes über Bücher gesagt wird, bzw. werden kann - Schuldig im Sinne der Anklage oder so.). Aber all das sind Punkte, die, so wie ich das sehe, das Buch erst so grossartig machen oder ("der Titel stimmt nicht") schlichtweg ein wenig dumm/engstirnig sind (Ich meine - ich bitte dich - jeder sollte doch mit dem Konzept vertraut sein, dass es verschiedene Arten der Unschuld gibt und in diesem Buch verliert ziemlich viel Unschuld sein Leben und das aus eigener Hand.). 

Um genau zu erklären, weshalb ich "die Selbstmord-Schwestern" (Zugegebenermassen finde ich den englischen Titel um einiges besser, besonders dieser doofe Bindestrich geht mir irgendwie tierisch auf den Geist, sieht einfach irgendwie hässlich aus, aber hey!, wenigstens passt es zum deutschen Cover, das genau gleich hässlich ist.) so toll finde, könnte es sein, dass ich an manchen Stellen entweder ein winziges bisschen spoilere oder nur vage Andeutungen mache. Aber Ima, in dem Buch geht es doch einfach nur darum, wie sich fünf Schwestern umbringen, das steht sowohl im Titel als auch auf den ersten Seiten des Buches - was kann man da grossartig noch spoilern? Liebe imaginäre Stimme: In diesem Buch geht es zwar sehr wohl um die Selbstmorde, aber genau so wird versucht ihre Geschichte zu erzählen, da gibt es sehr wohl einiges zu spoilern, und den Rest meiner Antwort überlasse ich den vagen Andeutungen.

Zunächst möchte ich gerne die Sache mit dem "Einleitungsgefühl" erklären. Wie kann es so toll sein, ein Buch zu lesen, dass sich wie eine einzige, viel zu ausgedehnte Einleitung anfühlt? Nun, weil es genau das ist, was es sein soll. Es ist so grossartig. Dir - also dem Leser des Buches, nicht dieses Blogs, es sei denn das überschneidet sich, aber das ist ja auch irrelevant, es geht nur um den Buch-Part - wird die Geschichte der Lisbon-Mädchen aus der Perspektive einer Reihe von Jungen erzählt (Immer aus der ersten Person Plural und man erfährt nie, wer genau sie sind, geschweige dessen, wie viele sie sind), die mittlerweile erwachsen (wenn nicht sogar alt) geworden sind und immer noch damit zu kämpfen haben, die Ereignisse ihrer Jungend zu verarbeiten. Eine Reihe von Ereignissen, die nach all den Jahren, nach all den Gesprächen zwischen den Jungen, nach all ihren investigativen Interviews und mit all ihren Beweisstücken, nicht zu ihrer Zufriedenheit ausgearbeitet, ergründet werden konnte. Man liest also, aus ihrer Perspektive, immer noch mit der vagen Hoffnung, dass man plötzlich irgendetwas erkennt, etwas, das nur im Hintergrund gelauert hat, das man einfach übersehen hat, aber das alles erklären kann, erklären kann, weshalb sie sich alle umgebracht haben. (Das Thema der "Jugendliche können nicht unglücklich sein"-Aussage wird in verschiedenen Schattierungen der Indirektheit immer wieder "diskutiert", wenn auch nie direkt kommentiert, das wird immer dem Leser überlassen.) 
Aber der Punkt ist eben, dass da am Schluss nichts ist. Das Universum offenbart nicht plötzlich eine Pointe, welche die Selbstmorde plötzlich in ein anderes Licht tauchen. Die Mädchen sind gestorben und niemand weiss wieso. Ja, es gibt viele Vermutungen, aber eine Vermutung ist gleich falsch wie die andere.
Das so perfekt darzustellen ist eine unglaubliche Leistung.

Man könnte sagen, dass das Buch unter dem Stern dieses Zitates steht:
"Ich weiss nicht, was Sie empfinden: Ich masse es mir auch gar nicht an."
Und das ist die beste Zusammenfassung dieses Buches, die ich mir vorstellen kann. Denn schlussendlich kommt man zum Schluss, dass es genau so ist. Man weiss nicht, was passiert ist, man wird es wohl auch nie erfahren. Die Lisbon-Schwester waren ein lebendes Mysterium und jetzt sind sie ein Totes.

Atmosphäre wurde auch so unglaublich gut aufgebaut. Das ist immer schwer in Geschichten, bei denen man eigentlich schon genau weiss, auf was es hinaus läuft, aber hier wurde so hervorragend damit gespielt, dass jeder Zweifel bezüglich der Entscheidung, schon von Anfang an offen zu legen, dass sich die Schwestern umbringen werden, absolut ausgelöscht sind. Hierfür könnte ich viele Beispiele Anbringen, aber das gehört dann wohl in die Spalte "Spoiler, die ich nicht verantworten kann" (auch Dinge, die ganz am Anfang passieren - das muss man einfach selber gelesen haben), weshalb ich stillschweigen bewahren will. Soviel sei aber gesagt: Erwartungen werden geschürt und enttäuscht, falsche Fährten gelegt, Spannungsbögen gezogen, Sicherheit wird in die Erzählung gebracht, Unschuld wird die Erzählerzeilen durchtränken, während aussen herum schon der Tod lauert. Auf jeden Fall ist die Atmosphäre in diesem Buch das entscheidende Element dafür, dass es mich vollkommen aus meinem gemütlichen Platz vor den Seiten direkt mitten hinein in die Lisbon-Nachbarschaft gesogen hat. 

Gut. Also, ich glaube, damit habe ich klar gemacht, dass ich dieses Buch für grossartig, toll, kartoffelig und was weiss ich was halte. Wirklich, eines meiner Favoriten. Ich wünschte, ich könnte mich an meine ganzen innerlichen Notizen erinnern, die ich mir während dem Lesen gemacht habe, nur um wieder und wieder zu betonen, in welch hohem Licht ich dieses Buch sehe. Aber es ist spät, ich bin müde, mir sind meine eigenen Gedanken entglitten. Also belasse ich es bei einem finalen: Lies dieses Buch, es ist toll.

Bewertung:

5 Sterne, von 5 - obviously.

Details:

Name: Die Selbstmord-Schwestern
Original: The Virgin Suicides
Autor: Jeffrey Eugenides
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Seitenanzahl: 256
Wo?: Amazon

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